Infodatei Fehlbildung

Zum Nutzen der Infodatei

Die auf diesen Seiten gesammelte Information kann und darf das Gespräch mit dem Arzt und die gründliche Untersuchung des kleinen Patienten mit dem anschließenden spezialisierten Rat des handchirurgischen Facharztes nicht ersetzen. Wir wollen nur einige für Eltern und Kinder wesentlichen Aspekte allgemein beleuchten, die einzelnen Krankheitsbilder etwas näher erklären und einordnen, sowie allgemein anschauliche Hinweise für die Kontakte mit Ärzten, Physiotherapeuten und Behörden geben. Solche Textbausteine sind auch immer im Wandel, da medizinisches Wissen sich verändert und ergänzt wird, durch uns Ärzte aber auch durch die Leser.

Deshalb sind wir für jede Anregung offen. Nur durch regelmäßige Interaktion kann der Text verbessert und die Benutzerfreundlichkeit erhöht werden. Zögern Sie deshalb nicht, uns Ihre Kommentare per E-Mail oder schriftlich zukommen zu lassen.

Danken möchten wir für eine erste kritische Durchsicht Herrn Dr. R. Habenicht und dem Vorstand von ahoi e.V.

Einleitung

Die Hand bildet sich sehr früh während der Schwangerschaft (die Anlage für die obere Extremität bereits in der 5. Woche). Die Differenziation ist in der 8. Woche abgeschlossen.
Die Entwicklung der embryonalen Anlage entsteht durch Wachstum und zelluläre Teilung von proximal nach distal, gefolgt von differenzierenden Prozessen und des programmierten zellulären Sterbens, welches die Finger individuell trennt.
Die Aufteilung der distalen Handplatte beginnt bei Embryonen mit einer Scheitel-Steiß-Länge von 8 mm. Bei einem 12-15 mm langen Embryo werden innerhalb der Handplatte die Fingerstrahlen und die einsprießenden Äste der 3 großen Armnerven (N. radialis, N. ulnaris, N. medianus) sichtbar.

Fehlsteuerungen während einer dieser embryonalen Etappen werden zu angeborenen Fehlbildungen führen, manchmal gibt es auch intrauterin erworbene Fehlbildungen, wie z. B. das Schnürring-Syndrom. Die Fehlbildung kann durch eine familiär erbliche Fehlinformation der Gene bedingt sein, oder bei Neuentstehung durch eine Veränderung in den Genen.
Die Häufigkeit liegt bei ca. 1:3000 Geburten.
Die Syndaktylie stellt die am häufigsten auftretende Fehlbildung dar, die Polydaktylie die zweithäufigste. Kinder mit einer isolierten Handfehlbildung sind oft sonst völlig gesund und können sehr geschickt mit ihrer fehlgebildeten Extremität umgehen. Manchmal kann die Fehlbildung allerdings auch mit anderen Fehlbildungen (so genannten Syndromen oder Fehlbildungskomplexen) einhergehen.

Die operative Korrektur ist nicht immer zwingend notwendig und zielt bei Indikation auf eine Verbesserung der Funktion und des ästhetischen Erscheinungsbildes der Hand ab, bzw. dient dazu eine Greiffunktion zu schaffen. Je nach Art und Ausmaß der Fehlbildung ist durch eine Operation die vollständige Normalisierung der Hand in Funktion und Form nicht immer erreichbar. Der optimale Zeitpunkt zur Operation wird individuell unter Berücksichtigung der funktionellen, kosmetischen und psychosozialen Aspekte festgelegt. Bei Syndromen müssen eventuell andere Behandlungen bei Fehlbildung anderer Organe integriert werden. Im Allgemeinen sollte die Operation in den ersten 3 Lebensjahren durchgeführt werden, weil eine bessere Anpassungsfähigkeit des Gewebes und des Umlernens auf die neue Funktion im Säuglings- und Kleinkindsalter besteht. Dies führt zu einer besseren funktionellen Integration der Hand und einem kosmetisch überzeugenden Ergebnis, wobei die funktionelle Entwicklung gut in die Gehirnintegration übernommen wird (kortikale Plastizität).
Die frühe Korrektur kann auch eine das weitere Wachstum beeinflussende Deformierung und Fehlfunktion, so wie eine psychologische Belastung, vermeiden.

Der spezialisierte Handchirurg stellt die Indikation zur Operation und klärt ausführlich die Eltern und, abhängig vom Alter, auch das Kind auf. Dazu gehört eine detaillierte Beschreibung der Operation, ihrer Technik, eventueller Alternativen und möglicher Komplikationen, sowie Erfolgsaussichten.
Der Anästhesist beurteilt die Narkosefähigkeit und klärt die Eltern über Art und Ablauf der Narkose auf.
Voruntersuchungen werden vom Kinderarzt durchgeführt, sie dienen der Bestätigung ob relevante Erkrankungen vorliegen.
Bei kleinen operativen Eingriffen werden nur in bestimmten Einzelfällen ein Blutbild und die Gerinnungsparameter benötigt. Bei größeren operativen Eingriffen sind Blutbild, Blutgerinnung und organspezifische Befunde erforderlich.
Wegen der Seltenheit von Handfehlbildungen sollte die Operation nur von auf dem Gebiet der Fehlbildungen erfahrenen Ärzten/innen, vorzugsweise von Handchirurgen, durchgeführt werden. Bei Unklarheiten oder Unsicherheit im Bezug auf Diagnose und Behandlung, ist es sinnvoll eine zweite Meinung einzuholen.

Die Operation kann ambulant oder stationär erfolgen, das ist abhängig von Umfang und Schwere des Eingriffs. Bei jedem Krankenhausaufenthalt ist die neue Umgebung oft befremdlich für die kleinen Patienten. Während dieser Zeit ist es für das Wohl des Kindes sehr wichtig, dass Vater und/oder Mutter es begleiten können. Daher wird empfohlen, dass ein Elternteil mit aufgenommen wird (Mutter/Kind Zimmer). Ebenso sind vertraute Spielsachen wie ein Plüschtier oder die Kuscheldecke wichtig, damit wird die Gewöhnung an die fremde Umgebung und das fremde Bett erleichtert.
Die Operationen erfolgen immer in Vollnarkose. Die Prämedikation (leichte Sedierung) für eine sanfte Einleitung der Anästhesie wird vom Narkosearzt festgelegt.
Oft ist es möglich, dass die Eltern ihr Kind zum Operationssaal begleiten, sie kleiden sich für den OP um und bleiben beim Kind bis die Narkose eingeleitet wird.
In vielen Krankenhäusern werden am Ende des Eingriffes die Eltern wieder aufgerufen, um das Kind im Aufwachraum zu erwarten. Nach der Aufwachphase werden Eltern und Kind zur Station zurückgebracht, oft entfällt eine intensiv medizinische Überwachung. Die präoperative Nahrungskarenz wird mit dem Krankenhaus abgestimmt. Weitere Hilfestellung zur Operationsvorbereitung erhalten Sie hier: Fahrplan zur OP

 

Einteilung/Klassifizierung der Handfehlbildungen

Es sind sehr viele Einteilungen aufgeführt worden, mit denen man Vielfalt an Handfehlbildungen erfassen kann. Die von Swanson eingeführte Klassifikation wurde von der International Federation of Societies for Surgery of the Hand angenommen und wird üblicherweise verwendet. Sie teilt die Handfehlbildungen in 7 Gruppen ein:

 

I Bildungsfehler
II Differenziationsfehler
III Doppelbildungen
IV Überentwicklung (Gigantismus)
V Unterentwicklung (Hypoplasie)
VI Schnürfurchenkomplex
VII Generalisierte Skelettdeformitäten

I. Bildungsfehler

I. A. Transversale Defekte

Die so genannten angeborenen Amputationsdefekte sind eine sehr seltene Fehlbildung.

Sie werden nach der Höhe der Amputation beschrieben. Die Ausprägung reicht in ihrer Schwere von der Aphalangie (Abwesenheit eines/mehrerer Fingerglieder) im Fingerbereich bis zum vollständigen Fehlen der oberen Extremität ab der Schulter. Der transkarpale (unmittelbar distal des Handgelenkes) und proximale Defekt am Unterarm sind die häufigsten.

Amelie: vollständiges Fehlen der oberen Extremität ab der Schulter.

Hemimelie: Fehlen des Unterarmes und der Hand

Acheirie: Fehlen der Hand

Adactylie: Fehlen des Mittelhandknochen und der Fingerglieder

Aphalangie: Fehlen der Fingerglieder

Das Amputationsniveau liegt vorwiegend in Gelenknähe. Der Stumpf ist in der Regel gut gepolstert bis wulstig.

Therapie:

Meist konservativ. Im Säuglings- und Frühkindesalter gilt es, die Greif- und Tastfunktion des Stumpfes zu fördern und zu schulen. Bei schweren Armfehlbildungen wird eine prothetische Versorgung im ersten Jahr empfohlen, um eine einhändige Vorbahnung im Gehirn zu vermeiden. Das Kind soll von Anfang an das richtige Gewicht und die Länge der Extremität im Gehirn speichern.

Im Alter von 3-4 Jahren kommt die Versorgung mit einer myoelektrischen Prothese in Betracht.

Operative Therapie:

Abgesehen von kleineren Eingriffen, wie die Entfernung von Fingerknospen (Rudimente) oder eine Weichteilreduktion, ist die operative Behandlung selten indiziert.

Bei beidseitigem Befund ist die Bildung einer primitiven Greifzange möglich.

 

I. Bildungsfehler

I. B. Longitudinale Defekte

I. B. a. Radialer Defekt

Beim radialen Defizit fehlen zur Gänze oder teilweise die Strukturen welche die radiale Achse des Armes bilden, z. B. der Daumen, radialseitiger Karpus, Radius, Arterie und sensibler Ast der radialen Nerven, muskuläre Defizite, usw.

Bei diesen Anomalien handelt es sich um eine recht seltene angeborene Fehlbildung. Sie tritt in unterschiedlichen Ausprägungen als ein Defekt auf der Radialseite des Unterarmes und der Hand auf. Sie geht häufig mit anderen Anomalien einher: dies wären z. B.:

Das Holt-Oram-Syndrom welches zu den so genannten Herz-Hand-Syndromen zählt. Es ist eine vererbte Besonderheit auf der Grundlage einer Genmutation, die durch Fehlbildungen des Daumens und/oder der Speiche (Radius) und des Herzens gekennzeichnet ist. Beim TAR-Syndrom fehlt der Radius, der Daumen ist vorhanden, es treten Fehlbildungen an anderen Armknochen auf, Thrombozytopenie (Thrombozytenzahl; d. h. die Anzahl der Blutplättchen) ist niedriger als üblich und es besteht einer starke Blutungsneigung.

Die Fanconi-Anämie (FA) ist eine seltene Erbkrankheit mit angeborenen Fehlbildungen (beispielsweise Daumen, Unterarme, Nieren, Speiseröhre, Hüften, Ohren, Herz), kleiner Statur, kleinem Kopfumfang, Rückbildung des Knochenmarks (schwere aplastische Anämie), Pigmentanomalien der Haut sowie ein extrem erhöhtes Risiko für Leukämien und Tumoren. Andere Besonderheiten spricht das VACTERL-/VATER-Syndrom an es ist eine Kombination von Fehlbildungen:

V = vertebral (Wirbelsäule)

A = anal (Darmausgang)

C = cardial (Herz: VSD, Fallotsche Tetralogie)

T = trachea (Luftröhre)

E = esophageal (Speiseröhre)

R = renal (Nieren)

L = limbs (Gliedmassen)

Außer bei den leichten Fällen, wo der einzig klinisch relevante Befund ein hypoplastischer (unterentwickelter) Daumen ist, gibt es einen kurzen Unterarm und eine radiale Verschiebung der Hand. Sie ist als radiale Klumphand bekannt und wird durch das Fehlen von Knochenstützung hervorgerufen.

Zur Therapie gibt es weiterhin unterschiedliche Ansätze: In der Literatur wird ein weites Behandlungsspektrum beschrieben. Von der klassischen operativen Behandlung, wie der Zentrierung des Karpus oder einer Radialisation, bis zum neuen Therapieansatz mit einer Distraktionskorrektur der deformierten Extremität mit mikrochirurgischer Handgelenksrekonstruktion durch Transplantation eines autologen vaskularisierten zweiten Mittelfußknochens und des angrenzenden Metatarso-Phalangial-Gelenks (letzteres Vorgehen ist vergleichbar einer Zehe- auf Handtransplantation), d. h. die Gefäße und Nerven werden an der Hand angeschlossen so, dass eine spätere Funktionalität des Gelenkes gegeben ist.

Die Distraktion (der Knochen wird getrennt und von außen fixiert, um eine Verlängerung der Knochen zu erreichen) ist derzeit der Standard vor jedem Versuch einer Zentralisierung oder Radialisierung der Ulna. Dieses Vorgehen kann allerdings Probleme beim Ulnawachstum hervorrufen.

 

I. Bildungsfehler

I. B. Longitudinale Defekte

I. B. b. Zentraler Defekt

Er bezeichnet die Abwesenheit von Fingern und Mittelhandknochen der zentralen Handachse, bei Anwesenheit von Radius und Ulla.

Die so genannte Spalthand ist eine seltene angeborene Fehlbildung. Ihre unterschiedlichen Formen haben in der Literatur zu vielen Beschreibungen geführt.

Im typischen Erscheinungsbild, das meist vererbt ist, gibt es eine bilaterale Abwesenheit des Mittelfingers mit einer mehr oder weniger tiefen palmarmen Falte, entsprechend dem Fehlen des dritten Mittelhandknochens. Häufig besteht eine Syndaktylie(Fingerverschmelzung) zwischen Daumen und Zeigefinger und/oder Ring-/und Kleinfinger, oft in Adduktionsfehlstellung (nach Innen gerichtet). Häufig ist ein Querknochen vorhanden.

Das atypische Erscheinungsbild, eine Form der Symbrachydaktylie ist nicht vererbbar und weist üblicherweise einseitig einen U-förmigen Defekt auf. Diese Patienten haben eine gute Funktion, aber das Aussehen der Hand ist unschön.

Teratogene Reihe der klassischen Symbrachydaktylie: Bei zunehmender Schwere der Fehlbildung geht das Erscheinungsbild von einer Reduktion in der radialen Handhälfte über eine monodaktyle Form mit nur einem Kleinfinger bis hin zur fingerlosen Hand.

Therapie:

Die chirurgische Behandlung richtet sich nach der Schwere der Erkrankung und Art der Fehlbildung. Die Eingriffe können ein- oder mehrzeitig, einzeln oder in Kombination erfolgen.

  • Syndaktylietrennung – nach den für Syndaktylie beschriebenen Prinzipien (Beschreibung folgt unter Punkt II. A)
  • Entfernung eines sperrenden Querknochens
  • Verschluss des Spaltes und Rekonstruktion des Bandes der metakarpalen Knochenverbände
  • Bei Abduktionsstellung (nach außen gerichtet): Fingertransposition (Verlagern eines Fingers) und Verbreiterung der ersten Zwischenfingerfalte.
  • Korrekturosteotomie bei Fehlstellung oder um den Spitzgriff zu ermöglichen. D. h. der Knochen wird durchtrennt und in einer anderen Stellung neu fixiert um die Fehlstellung auszugleichen.
  • Bei Fehlen des Daumens, Daumenaufbau durch Querknochen, Mittelhandknochen oder Zehentransplantation.

 

I. Bildungsfehler

I. B. Longitudinale Defekte

I. B. c. Ulnarer Defekt

Das Fehlen der ulnaren Achse ist die seltenste längsseitige Fehlbildung der oberen Extremität.

Der Unterarm und häufig auch der Oberarm sind verkürzt, der Radius ist gebogen. Häufig tritt am Ulnaende eine knorpelige Anlage auf, welche durch ihre geringe Wachstumstendenz zu einer Abwinklung des Handgelenkes führt.

Manchmal wachsen Radius (Speiche) und Humerus (Oberarmknochen) zusammen (Synostose), dies führt zu einer Rotationsfehlstellung und einer erheblichen Pronation (Einwärtsdrehung) der Hand.

Die Operationsindikation besteht bei Drehfehlstellungen, Instabilität zwischen dem Unterarmknochen oder starker ulnarer Abduktion (nach außen gerichtet) der Hand.

Therapie:

Die chirurgische Behandlung umfasst:

  • Drehosteotomie (kontrollierter Knochenbruch und Fixierung nach einer Achsenrotation) im Ellenbogenbereich, bei Rotationsfehlstellung. Auch hier wird der Knochen durchtrennt Eine eventuelle vorheriger Distraktion (Verlängerung eines Knochens) bei Instabilität zwischen den Unterarmknochen, kann notwendig sein

Weitere operative Maßnahmen je nach Art der Fehlbildung:

  • Radiuskorrekturosteotomie, Durchtrennung der Speiche und Fixierung in geeigneter Stellung.
  • Resektion (Entfernung) der knorpeligen distalen Ulna Anlage
  • Sehnentransposition
  • Syndaktylietrennung
  • Drehosteotomie des 1. Mittelhandknochens und Verbreiterung der ersten Zwischenfingerfalte

I. Bildungsfehler

I. C. Intersegmentaler Defekt

I. C. a Phokomelie

Das komplette oder teilweise Fehlen der proximalen (der Körpermitte zugewandte Seite) Hand-Skelett Strukturen, meist mit Ansatz der Hand an der Schulter. Die Wechselwirkung mit Thalidomid (Contergan) ist gut bekannt. Das klinische Erscheinungsbild ist unterschiedlich, und wurde in drei Gruppen klassifiziert.

  • Typ I: Komplett: Hand zu Oberkörper
  • Typ II: Proximal: Hand zu Oberarm
  • Typ III: Distal: Hand zu Unterarm

Therapie:

Zur Behandlung werden Prothesen eingesetzt.

Die Fingerfunktion ist extrem unterschiedlich und wird durch intrinsische Muskeln bewirkt. Die Handfunktion ist selten normal, aber ausreichend um myoelektrische Prothesen auf Schulter/Oberarm Höhe zu handhaben.

Manchmal lässt sich die Fingerfunktion durch eine Lösung/ Dreh- Osteotomie oder einen Sehnentransfer verbessern.

Wenn das phokomelische Glied den Mund erreicht, wird von einer prothetischen Versorgung meist abgesehen. Die Zielsetzung eines jeden wiederherstellenden Eingriffes ist, die Motorik und Sensibilität derart zu steigern, damit eine maximal mögliche Funktionalität erreicht wird.

I. Bildungsfehler

I. C. Intersegmentaler Defekt

I. C. b Symbrachydaktylie

Es handelt sich um kurze Finger (brachy), betroffen sind die Mittelglieder. Die Fingerzwischenräume weisen verschiedene Tiefen und (Teil-)Syndaktylien (Fingerverschmelzung) auf. Je nach Schwere weist dieser Fehlbildungskomplex sehr variable Rückbildungsformen auf. Die Deformität ist einseitig, nicht begleitend von Fuß-, Knochen oder Muskeldeformitäten. Es besteht keine hereditäre Veranlagung.

Die erstellte teratologische Reihe ( so wird die Schwere der Fehlbildung klassifiziert; d. h. je früher die Fehlinformation in der embryonalen Entwicklung auftritt, desto gravierender ist die Fehlbildung) beginnt mit der Verkürzung der Mittelglieder (Brachymesophalangie) bis zu ihrem vollständigem Fehlen (Hypophalangie), fortschreitend über Hypoplasie (Unterentwicklung), partielle und komplette Aplasie (Fehlen) der mittleren Fingerstrahlen (DII- IV), Rückbildung auch des Kleinfingers und schließlich auch des Daumenstrahles. Rudimentäre hypoplasische (Unterentwicklung) oder aplastische (Fehlen bestimmter Teile) Finger bleiben erhalten.

Wir weisen diese Fehlbildungsreihe den intersegmentalen Defekten zu, auf Grund der Erhaltung der Endglieder oder Fingerknospen mit rudimentären Nägeln.

Das Vorhandensein von mehr Weichteilen als Knochen führt zu einer großen Instabilität.

Partielle Syndaktylien sind häufig vorhanden. Je nach Schwere der Fehlbildung stellen sich verschiedene Typen der Symbrachydaktylie dar: Spalthand Typ, monodaktyler Typ, peromeler Typ, bis zur Rückbildung in den Unterarm.

Therapie:

Konservative Therapie mittels Prothesenversorgung bei extremen Formen, falls keine Operation gewünscht wird, oder in Betracht kommt. Die operative Therapie richtet sich nach dem Grad der Schwere der Fehlbildung. Die Korrekturen betreffen:

  • Syndaktylietrennung
  • Verbreiterung der ersten Zwischenfingerfalte
  • Arthrodese instabiler Gelenke (Fixierung des Gelenkes)
  • Freie Transplantationen von Zehengliedern zur Überbrückung intermedialer Knochendefekte
  • Fingertransposition
  • Zehentransplantation bei monodaktylem Typ, d. h. bei Anwesenheit eines einzigen Fingers.

II. Differenziationsfehler

II. A Weichteilgewebe Hand

II. A. 1 Kutane (häutige) Syndaktylie

So wird die Verschmelzung von zwei oder mehreren Fingern, auf Grund eines Fehlers in der Differenziation des Fingerstrahles, benannt. Es stellt die häufigste angeborene Handfehlbildung dar und ist häufig beidseitig. In der Gesamtbevölkerung findet sie sich in einer Häufigkeit zwischen 0,35 – 0,9 auf 1000 lebend geborene. Sie tritt meist sporadisch auf, auch wenn es in 10 – 40 % der Fälle eine entsprechende familiäre Vorgeschichte gibt.

Sie kann vollständig sein, wenn sie sich bis an die Fingerkuppen ausdehnt, oder unvollständig, wenn sie nur proximal auftritt. Sie kann auch einfach sein, wenn die Verbindung ausschließlich die Weichteile betrifft, komplex, wenn die Verbindung knöchern oder knorpelig ist, oder kompliziert, wenn sie sich mit anderen nachfolgenden Anomalien verbindet:

Doppelungen, Kamptodaktylie (Beugekontraktur einzelner Fingergelenke), Klinodaktylie (Schiefstellung der Finger), Symphalangie (zusammengewachsene Fingerglieder, bzw. Phalange – siehe Abb. ), usw.

Wenn sie im Zusammenhang mit anderen Syndromen auftritt, speziell dem von Apert (es gehört zur Gruppe der kraniofazialen Fehlbildungen mit Deformationen im Kopf- und Mittelgesichtsbereich und im Bereich der Extremitäten). Dort finden sich Verwachsungen der Finger, häufig auch knöchern, an 2 bis 4 oder aller 5 Finger (Löffelhand). Die Mittelgelenke der einzelnen Finger sind grundsätzlich nicht angelegt und bleiben dadurch steif. Die Finger sind nur in den Grundgelenken beweglich.

Das Poland Syndrom beinhaltet in der Regel eine einseitige Anomalie der Hand so wie ein vollständiges Fehlen des Musculus pectoralis major (großer Brustmuskel) und eventuell auch der Brust.

Mehr als 50% der Patienten weisen die einfache unvollständige bilaterale Form am Mittelfingerzwischenraum auf, gefolgt vom Ringfinger mit 30% und dem Zeigefinger mit 15%.

Therapie:

Die Behandlung der Syndaktylie ist operativ mit Ausnahme geringer partieller Syndaktylien.

Optimal für einen Eingriff ist der Zeitpunkt zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat bei Fingern ungleicher Länge, um Knochen und Gelenkdeformierungen mit seitlichem Verbiegen des längeren Fingers zu vermeiden. Zwischen 2 und 4 Jahren operiert man bei Fingern gleicher Länge.

Die Syndaktylie wird mittels eines längsseitigen Z – Schnittes operiert. Nach Trennung der Finger werden die Hautdefekte häufig mit Vollhauttransplantaten verschlossen. Die Haut in der Zwischenfingerfalte stammt vom Handrücken (i. s. eines lokalen Vorschublappens) und bietet ein normales Erscheinungsbild.

Mehrere nebeneinanderliegende Zwischenfingerfalten sollten nie zusammen in einer Sitzung getrennt werden, da eine Durchblutungsstörung dann eine häufige Komplikation ist.

Das Eingriffsintervall sollte über 3 Monate betragen.

II. Differenziationsfehler

II. A Weichteilgewebe Hand

II. A. 2. Kontrakturen

Es handelt sich um Handfehlbildungen, die durch Anomalien der Muskeln und Sehnen verursacht werden, wobei die Ätiologie (Ursache) unbekannt ist.

II. A. 2.1 Kongenitaler Springfinger

Ist bedingt durch die Kontraktur des Ringbandes A1 (Band zur Fixierung der Fingersehne, befindlich im Bereich des Überganges von Hohlhand zum Finger) und durch die Präsenz eines reaktiven Knotens (knotige Verdickung) in der Beugesehne. Er tritt nicht zur Geburt auf, aber kurz danach – eine genetische Prädisposition (Veranlagung) wird angenommen. Der Finger befindet sich in ständiger Beugung, eine vollständige Streckung ist nicht möglich.

Dies tritt beim Daumen am häufigsten auf und ist üblicherweise einseitig.

Therapie:

Es sollte zu Anfang abgewartet werden, da ein Drittel der Fälle sich spontan im ersten Jahr auflöst. Die chirurgische Ringbandspaltung A1 bringt hervorragende Ergebnisse.

Der Eingriff sollte vor dem 4. Lebensjahr vorgenommen werden, um Spätfolgen zu vermeiden.

II. A. 2.2 Beugefehlstellung des Daumens

Der „eingeschlagene Daumen“ ist eine extreme Form des schnellenden Fingers.

Es ist eine Fehlbildung in der Adduktion – Beugung des Daumens. Normalerweise tritt dies zweiseitig auf und kommt bei Jungen häufiger vor. Es wird mit vielen Syndromen assoziiert, im Allgemeinen mit vererblichen Störungen des Zentralen Nervensystems, obwohl es auch als Einzelfall auftreten kann. Das Grundgelenk steht gebeugt bedingt durch einen anormalen Streckerapparat, üblicherweise eine Unterentwicklung oder das Fehlen des Extensor pollicis brevis (ein gestreckter Daumenmuskel). Diese Fehlbildung wird in 3 Gruppen, mit zunehmender Schwere geordnet.

  • Typ 1: ist der häufigste. Hier findet sich nur eine Abnormität des Streckerapparat.
  • Typ 2: ist komplexer, mit Kapselkontraktur (Kontraktur der Gelenkkapsel), Abnormität der kollateralen Bänder (Bänder, welche die Daumengelenke stabilisieren) und ein Defizit der Daumenballen Muskulatur.
  • Typ 3: Der Daumen steht in Krallenstellung, dieser Typ wird mit Arthrogryposis (siehe Kapitel VII) und anderen Syndromen in Verbindung gebracht.

Therapie:

Die Fehlstellung ist passiv ausgleichbar. Bei kleinen Kindern können Schienung und passive Streckübungen die Kontrakturen überwinden. Wenn eine Beugekontraktur besteht, kann eine Weichteilgewebe-Lösung der Haut, der Palmarplatte (und/oder der Kollateralbänder (beides sind stabilisierende Fingergelenkbänder) durchgeführt werden. Ggf. kann auch eine Sehnentransposition (Sehnenverlagerung), zum Ersetzen der Daumenstrecker oder eine Arthrodese (Versteifung), insbesondere bei Gelenkinstabilität, erforderlich sein

II. A. 2.3 Kamptodaktylie:

Angeborene Fehlbildung des Mittelgelenkes mit Beugekontraktur eines Fingers. Am häufigsten ist der Kleinfinger betroffen, sie tritt meist bei Kinder und jungen Frauen auf. In vielen Fällen birgt sie keine funktionellen Beeinträchtigungen. Man glaubt sie ist bedingt durch Anomalien im distalen Ansatz der intrinsischen Muskulatur (Handmuskulatur, die ihren Ansatz und Ursprung im Handbereich hat) der Finger, obwohl alle Fingerstrukturen betroffen sein können. Die knöchernen Störungen sind sekundär angesichts der Bewegungsstörungen.

Therapie:

Die Fehlbildung kann statisch oder progressiv sein. Bei geringem Streckdefizit kann man dynamische Schienen anwenden, bis die vollständige Streckung des Mittelgelenkes erreicht wird, die Rezidivrate (Rückfallquote) nach Schienenentfernung ist hoch.

Chirurgische Behandlung: Bei einem Streckdefizit von mehr als 40%, wird ein chirurgischer Eingriff empfohlen, der die Fingerbänder befreit, so wie die Entfernung des Muskulus lumbrikalis (einer der intrinsischen Muskeln) oder eine Transposition (Verlagerung) des Muskels zur Rückseite mit Fixation am Seitenzügel.

Beim älteren Patienten mit signifikanter Knochendeformität und einer Mittelgelenkskontraktur von mehr als 900 kann eine Korrekturosteotomie am Hals des Grundgliedes eine Verbesserung der Streckung erreichen.

Bei einer fixierten Kontraktur wird eine Arthrodese (operative Versteifung) in besserer funktioneller Stellung empfohlen. Bei bestätigter Knochendeformität verbietet sich ein alleiniger Weichteileingriff, da nicht ausreichend.

II. Differenziationsfehler

II. B Knochengewebe (Synontose, Ankylose, andere Skelettfehlbildungen)

II. B 1 Synostosen

Es handelt sich um mangelhafte Differenzierung (Ausbildung) der Knochen mit nachfolgendem Zusammenwachsen der Knochen. Sie kann auf unterschiedlicher Höhe der oberen Extremität auftreten. Die häufigste ist die radioulnare Synostose. An der Hand kann sie am Finger, Metakarpus und/oder Karpus stattfinden. Die am Finger ist Teil der komplexen Syndaktylie. Diese Zusammenschlüsse führen zu einem gesteigerten Bruchrisiko.

Synostose der Handwurzelknochen:

Im Bereich der Handwurzelknochen ist die Tendenz zur Synostosierung in der queren Richtung etwa 3 x größer als in der Längsrichtung. Die häufigste Form ist die Synostose von Lunatum (Knochen: Mondbein) und Triquetrum (Knochen: Dreieckbein) mit deutlich vermehrtem Auftreten in der negroiden Bevölkerung.

Therapie:

Nur bei symptomatischen und vollständigen Synostosen ist eine Therapie erforderlich. Die Fusion wird durch eine Arthrodese (Versteifung) vervollständigt. Am Metakarpus (siehe Abbildung) bildet sie sich meist zwischen dem IV (Ringfinger) und dem V (Kleinfinger), dabei gibt es zwei Gruppen:

Typ 1:

Das Zusammenwachsen ist auf die Basis beschränkt, mit ulnarer Abweichung des Metakarpus V (Bereich zwischen Handwurzel und Kleinfinger), welche eine Ausweitung des Zwischenfingerraumes bei Ring- und Kleinfinger bewirkt.

Die Behandlung besteht aus einer Osteotomie (kontrollierter Knochenbruch) des Metakarpale V.

Typ 2:

Das Zusammenwachsen findet fast vollständig auf der gesamten Länge des Metakarpus statt, was zu einer Einengung des Raumes zwischen Ring- und Kleinfinger führt.

Es wird durch eine Längsöffnung der knöchernen Brücke und Einbringen eines Knorpel -Transplantats oder Silikon behandelt.

II. Differenziationsfehler

II. B Knochengewebe (Synontose, Ankylose, andere Skelettfehlbildungen)

II. B 2 Symphalangie

So bezeichnet man das Zusammenwachsen der Fingerglieder durch das teilweise Fehlen der Segmentierung. Durch diese Versteifung der Mittel- oder Grundgelenke fehlt die Möglichkeit zur Streckung und Beugung. Betroffen sind mit größerer Häufigkeit die Mittelgelenke der Ring- und Kleinfinger. Es gibt 3 Kategorien:

1. Echte Symphalangie:

es sind Finger von normaler Länge, mit Zusammenwuchs von einem oder mehreren Fingern, gleichzeitig ist auch das Mittelgelenk betroffen. Es handelt sich um eine hereditäre autosomale Dominanz, d. h. Erbkrankheiten folgen verschiedenen Erbgängen und sind mit unterschiedlichen Vererbungs-, Wiederholungs- und Erkrankungswahrscheinlichkeiten verbunden. Bei der autosomalen Dominanz tritt die Besonderheit in Erscheinung, wenn sich auf einen von beiden Chromosomen die Veränderung in einem bestimmten Gen findet.

2. In verkürzten Fingern ist diese Form Teil der Symbrachydaktylie.

Weitere Hinweise erhalten Sie unter I. C. b und auf unserer Informationsseite

3. Syndromische Symphalangie:

Zusammenwachsen der Fingerglieder, tritt oftmals mit den Syndromen von Apert und Poland auf und betrifft meist die 3 mittleren Finger.

Therapie:

Die Behandlung ist meistens konservativ, weil die Rekonstruktion der Mittelgelenke nicht zufriedenstellend ist. Die chirurgische Behandlung wird sich auf die Korrektur der Anwinklung und der Rotation dieser Finger beschränken. Die Stellung in der sie fixiert werden sind: bei Zeigefinger 200, Mittelfinger 300, Ringfinger 400 und Kleinfinger 50 0 .

II. Differenziationsfehler

II. B Knochengewebe (Synontose, Ankylose, andere Skelettfehlbildungen)

II.B 3 Kongenitale Desviation

Klinodaktylie :

Achsenfehlstellung eines Fingers im Mittelgliedbereich durch ein anormales, meist trapezoidförmiges Mittelglied mit Abschrägung der Gelenkfläche. Häufig besteht eine genetische Disposition wobei über 30 assoziierte Syndrome beschrieben werden. Die dreieckförmige Deformierung am Daumen wird Deltaknochen benannt. Der am häufigsten betroffene Finger ist der Kleinfinger mit einer radialen Abwinkelung.

Therapie:

Eine OP Indikation besteht bei Abwicklung über 200 – 250. Chirurgische Verfahren: Verlängernde Keilosteotomie (kontrollierter Knochenbruch in Keilform mit Darmbeinspan (Knochentransplantat). Bei stärkerer Abwinkelung (400 – 600 ) wird eine Lappendeckung des freiliegenden Knochens auf der konkaven Seite erforderlich.

Kirner Deformität:

Ventrale (bauchwärts gerichtete) Abwinklung des Kleinfingerendgliedes in Folge von Wachstumsstörungen bei frühzeitiger Sklerosierung der Diaphyse (Vermehrung des Bindegewebes am Knochenschaft). Das Endglied ist nach palmar/ radial verbogen und der Fingernagel schnabelförmig geformt. Ein abnormer Ansatz oder ein starker Zug der tiefen Beugesehne am Endglied werden dafür verantwortlich gemacht.

Therapie:

Frühzeitige operative Behandlung bei wachsendem Skelett durch partielle Epiphyseodese (d.h. die Wachstumsfuge wird überbrückt und durch eine Verschraubung stabilisiert).

Nach Wachstumsabschluss erfolgt die Korrekturosteotomie (kontrollierter Knochenbruch) mit oder ohne Knochenspaninterposition (Knochentransplantat). Auch eine Knochendistraktion (der Knochen wird getrennt und von außen fixiert, um eine Verlängerung der Knochen zu erreichen) kann zu guten Ergebnissen führen.

II. Differenziationsfehler

II. B Knochengewebe (Synontose, Ankylose, andere Skelettfehlbildungen)

II. B 4 Madelung Deformität

Trichterförmige Verformung der Handwurzelknochen in Folge einer Wachstumsstörung am distalen Radius, d. h. das Ende der Speiche. Die veränderte Mechanik der Handwurzel führt zu einer Schmerzsymptomatik sowie einer Einschränkung des Bewegungsumfangs des Handgelenkes. Häufig sind die begrenzte Supination (Aufwärtsbewegung des Unterarms, z. B. beim Essen) und der Kraftverlust die hauptsächliche Beschwerde, ohne dass ein Zusammenhang zwischen Ausmaß der Deformität und den Beschwerden zu bestehen scheint.

Therapie:

Bei bereits ausgeprägter trichterförmiger Deformierung des Handgelenkes ist keine operative Therapie mehr indiziert.

Die operative Behandlung beinhaltet verschiedene Osteotomiearten (Formen des kontrollierten Knochenbruches) des Radius mit oder ohne Knochenspaninterposition zur Achsenkorrektur der Speichegelenkfläche, Verkürzung der Elle oder Entfernung des Ellenkopfes und Eingriffe am Speiche- Ellegelenk.

Die Wahl der Behandlung hängt vom Ausmaß der Deformität und dem Alter des Patienten ab.

II. Differenziationsfehler

II. B Knochengewebe (Synontose, Ankylose, andere Skelettfehlbildungen)

II. B 5 Hypersegmentation (triphalangealer Daumen – Hyperphalangie der Finger)

Triphalangie des Daumens:

Beim dreigliedrigen Daumen existiert eine zusätzliche rudimentäre oder vollständige Mittelphalanx (Teilstück des Fingers) . Mit zunehmender Ausprägung der Mittelphalanx verliert der Daumen seinen Unterschied zum normalen Langfinger, er wird schmaler und länger, weist eine zunehme Atrophie (Rückbildung) der Thenarmuskulatur auf und verliert die Opponierbarkeit (Fähigkeit zur Gegenüberstellung).

Therapie:

Die leichten Fälle bedürfen keiner Behandlung. Manchmal tritt ein kleiner, dreieckiger Knochen mit ulnarer Deviation (Schiefstellung zur Elle) auf, dieser kann bei Kleinkindern bis zum 6. Lebensjahr entfernt werden. Beim unfunktionellen Daumen, ist die Pollizisation des radialen Fingers angezeigt. Bei hypoplastischem (unterentwickeltem) dreigliedrigem Daumen empfiehlt sich die Amputation und Pollizisation des Zeigefingers.

Hyperphalangie der Finger

Auftreten eines zusätzlichen Fingergliedes zwischen zwei normalen Fingern. Am häufigsten am II Finger, der dann 4 Beugefalten aufweist. Durch die Schräglage des Grundgelenkes ist der Finger häufig nach ulnar (zur Elle hin) verlagert.

Therapie:

Eine Korrekturosteotomie (kontrollierter Knochenbruch) ist aus funktionellen und ästhetischen Gründen angezeigt, wenn die ulnare Deviation (Schiefstellung zur Elle) zu stark ist und der Zeigefinger auf dem Mittelfinger reitet.

III. Doppelbildungen

Die Polydaktylie ist die zweit-häufigst auftretende Handfehlbildung nach der Syndaktylie. Die präaxiale (radiale Seite der Hand) Vielfalt, weit verbreitet bei Asiaten und Kaukasiern, weist größere Behandlungsschwierigkeiten auf als die postaxiale (ulnare Seite der Hand), weit verbreitet in der negroiden Bevölkerung. Die zentrale Polydaktylie ist sehr selten. Als Polydaktylie wird die Anwesenheit von mehr als 5 Fingern an einer Hand (oder Fuß) bezeichnet. Man unterscheidet zwischen ulnar (betrifft den Kleinfinger), radial (betrifft den Daumen) und zentral (betrifft den 2. bis 4. Strahl). Bei der Einteilung der Polydaktylie in Längsrichtung sind mehrere Klassifikationen bekannt: Die teratologische Reihe der Polydaktylie (siehe I.C.b) fängt mit Verbreiterung des Endphalanx (Endglied des Fingers) an und führt über die Verdoppelung bis zur Verdreifachung kompletter Fingerstrahlen. Eine Sonderstellung nimmt die Handverdoppelung ein, die „Mirror“ Hand (Spiegelhand). Der zusätzliche Finger kann als Anhängsel mit oder ohne Phalanx erscheinen oder als kompletter Finger mit verschiedenen Übergängen.

Doppelter Daumen (prääxiale Polydaktylie)

Der überschüssige Daumen ist nicht so sehr ein funktionelles, als mehr ein ästhetisches Problem. Alle Elemente die das Duplikat bilden, weisen sämtliche sensitive und motorische Strukturen auf, weshalb bei jeder Wiederherstellung Elemente aus beiden Daumen benutzt werden können.

Therapie:

Grundsätzlich wird der hypoplastische (unterentwickelte) bzw. der radial gelegene Daumen entfernt. Zusätzliche Korrekturen sind erforderlich: Verschmälerung des Knochens, und Korrektur der Daumenbänder, Verlagerung der Strecksehne vom zusätzlichen Daumen bis zum verbliebenen Daumen.

Falls eine Achsendesviation vorliegt, erfolgt eine Korrekturosteotomie.

Ist der 1. Zwischenfingerraum zu eng, so kommen Z-Plastiken, Rotation- oder Schwenklappen in Betracht. Die Operation nach Bilhaut-Cloquet ist indiziert bei gleich großen hypoplastischen (unterentwickelten) Partnern. Das mediale Drittel wird jeweils entfernt und die Knochen werden fusioniert.

Zentrale Polydaktylie (Polysyndaktylie)

Es handelt sich hierbei um die Polydaktylie der Zeige- Mittel- und Ringfinger. Sie geht meist mit einer komplexen Syndaktylie (Polysyndaktylie) einher, ist üblicherweise beidseitig und nach ulnar (zur Elle hin) häufiger auftretend.

Therapie:

Je nach Schwere sollte man das Kind ab 6 Monaten operieren, die Syndaktylie befreien und das schlechtere Duplikat entfernen. Ist der Fall sehr komplex, kann man das Duplikat komplett entfernen und nur die 3 längsten Finger stehen lassen.

Postaxiale Polydaktylie

Die Polydaktylie des V. Fingers tritt am Rande der Ulna auf, üblicherweise wie ein rudimentäres Anhängsel, welches wenige Tage nach der Geburt durch einen Faden abgebunden werden kann.

Ihr Auftreten außerhalb der negroiden Bevölkerung sollte uns auf andere Syndrome aufmerksam machen.

Therapie:

Allgemeinhin werden Duplikate auf der ulnaren Seite zu Gunsten des weiterentwickelten auf der radialen Seite unter Berücksichtigung des knöchernen Überschusses am Metakarpale (siehe Abbildung) entfernt.

Von der individuellen Situation abhängig, sollte evtl. das kollaterale ulnare Band rekonstruiert werden und die intrinsischen muskulocutanen Ansätze (Handmuskeln deren Ursprung und Ansatz an der Hand sind) transponiert werden.

IV. Überentwicklung (Gigantismus)

Die Makrodaktylie zeichnet sich aus durch eine Steigerung der Größe in allen Strukturen des Fingers, ohne den Metakarpus zu befallen. Es muss von anderen pathologischen Befunden unterschieden werden, bei denen nur einige Elemente wachsen, wie bei Hämangiomen (Blutschwämme) oder Lipomen (Fettgeschwulste) . Es kann an einem oder mehreren Fingern der Hand oder des Fußes auftreten.

Es ist meist auf das Versorgungsgebiet eines Nervens beschränkt. Sehnen- und Blutgefäße sind von normaler Größe. Durch ungleiches Wachstum kommt es häufig zu einer seitlichen Krümmung.

Es gibt eine statische Variante die bei der Geburt vorhanden ist und progressiv mit den anderen Fingern wächst.

Die progressive Variante, die häufiger ist, findet man nicht bei der Geburt an. Ihr Wachstum fängt unmittelbar und mit schnellerer Geschwindigkeit als beim Rest der Finger an.

Die Makrodaktylie ist eine seltene Fehlbildung. Das bilaterale Vorkommen liegt bei nur 10%. Am häufigsten sind Zeige- und Mittelfinger betroffen und am seltensten der Kleinfinger.

Bereits nach der Geburt ist diese Fehlbildung sichtbar, oder sie wird im Laufe des Wachstums auffällig. Das Knochenwachstum endet gewöhnlich mit der Pubertät, während das Weichteilvolumen weiter zunehmen kann.

Therapie:

Da der Riesenfinger oft unbeweglich ist und er störend wirkt, soll bei Befall eines Fingers die Amputation mit der Verschmälerung der Hand, eventuell mit Fingerverlagerung vorgenommen werden.

Eine andere Vorgehensweise ist die direkte Knochenreduktion durch Entfernung des Endgelenkes, eventuell mit Breitenverminderung der Fingerglieder durch Entfernung seitlicher Knochenanteile und Wiederbefestigung der Seitenbänder.

Weitere Möglichkeiten den Finger zu verkleinern sind: Nagelverschmälerung, Reduktion der Weichteile unter Erhalt der Gefäßnervenbündel. Bei ausgeprägter seitlicher Krümmung kann eine verkürzende Keilosteotomie (kontrollierter Knochenbruch in Keilform) vorgenommen werden.

V. Unterentwicklung (Hypoplasie)

Hypoplasie des Daumens:

Sie ist meist beidseitig und geht einher mit Fehlbildungen des Radius.

Sie tritt häufig im Zusammenhang mit anderen Syndromen auf.

Die Rückbildung umfasst Knochen und Weichteile. Sie geht von leichten Verkürzungen und Schmächtigkeit bis zum totalen Fehlen des Daumens. Es wird die Einteilung nach Blauth-Manske gebraucht, welche 5 Gruppen vorgibt:

  • Typ I:   Minimale Verkürzung
  • Typ II:  Verengung des ersten Fingerzwischenraumes, thenare muskuläre Hypoplasie (Unterentwicklung der
  • Muskeln des Daumenballens) und Instabilität des Grundgelenkes.
  • Typ III: Metakarpus Hypoplasie
  • Typ IV:  Rudimentäre Fingerglieder
  • Typ V:   Daumen Aplasie

Therapie:

Beim Typ I und II wird eine Wiederherstellung des Daumens durchgeführt:

  • Beseitigung der Adduktionskontraktur (Anlegekontraktur) und Verbreiterung der ersten Zwischenfingerfalte.
  • Stabilisierung des Grundgelenkes mittels Rekonstruktion des Seitenbandes
  • Opponenplastik (OP zur Ermöglichung des Fingertipp) mit M. flexor digitorum superficialis (Muskel) oder M. abductor digiti minimi (Muskel)

Bei Typ IV und V (welche am häufigsten vorkommen) wird eine Pollizisation durch den Zeigefinger vorgenommen.

Typ III ist heterogener, in manchen Fällen wiederherstellbar, in anderen nicht. Dies hängt auch von der Stabilität oder Instabilität des Karpometakarpal Gelenkes ab.

Die Entfernung des funktionslosen Daumens mit anschließender Pollizisation des Zeigefingers wird von den Eltern meistens kategorisch abgelehnt. Alle anderen Versuche einer Funktionsverbesserung reichen nie an das einer Pollizisation heran.

VI. Schnürfurchenkomplex

Zirkulär (kreisförmig) oder semizirkulär (halbkreisförmige) verlaufende Einziehungen mit polsterartigen Weichteilverdickungen. Nervenschädigungen mit motorischer Lähmung werden selten beobachtet.

Die Schnürfurchenkomplexe können an jeder Stelle des Körpers auftreten und man glaubt, dass es ein amniotischer (Haut um die Leibesfrucht) Strang ist, der sich um einen Teil des Föten wickelt.

Sie treten häufig an den Fingern oder Zehen auf.

Sie sind nicht erblich und unterscheiden sich von anderen Anomalien weil der Finger sonst absolut normal ist.

Die Furche kann oberflächlich oder tief sein (sogar bis zur Knochenhaut) und sowohl partiell, als auch ringförmig auftreten.

An der Fingerrückseite ist die Furche meist tief und oberflächlicher in Richtung Handinnenfläche.

Sie weist eine häufige und nicht geklärte Wechselbeziehung zur Lippen- Gaumenspalte auf.

Nach Patterson, wird nach Schwere der Symptome folgendermaßen eingeteilt.

  • Typ I:    Einfacher Schnürfurchenkomplex
  • Typ II:  Schnürfurchenkomplex mit Akrosyndaktylie (Verbindung an den peripheren Enden von Fingern mit proximal gelegenen Spalten oder Kanälen zwischen den Fingern, s. a. Übersicht der Ausdrücke)
  • Typ III: Schnürfurchenkomplex mit Akrosyndaktylie und Teilamputation

Therapie:

Die Behandlung erfolgt durch Entfernung der Schnürfurche, Hautverschluss mit versetzten Z- förmigen Verschiebelappen um eine spätere Formabweichung der Kontur zu vermeiden.

Um Probleme der Durchblutung zu umgehen, wird empfohlen 50 % des Umfanges zu behandeln und den Rest 6- 12 Wochen später, wenn der Blutkreislauf durch die Narbe wiederhergestellt ist. Die Syndaktylietrennung und Kommisurvertiefung (Trennung der verbundenen Finger und Vertiefung der Fingerspalten) und Vertiefung der sollte im ersten Lebensjahr erfolgen. Weitere operative Verfahren werden im 2. – 4. Lebensjahr durchgeführt:

  • Entfernung der Gewebevermehrungen.
  • Excision funktionsloser Fingerstümpfe
  • Evtl. Fingerstrahltransposition
  • Bei partieller Daumenaplasie: Daumenbildung durch Fingertransposition oder Zehentransplantation

VII. Generalisierte Skelettdeformitäten

Kontrakturen

Arthrogryposis multiplex congenita:

Es ist ein angeborenes Syndrom welches sich durch eine multiple und bilaterale Gelenksversteifung bemerkbar macht, die Gelenke sind in verschiedenen Stellungen fixiert. Die Muskeln werden durch faseriges Gewebe ersetzt.

Die oberen Glieder weisen üblicherweise eine Deformität in der Beugung des Handgelenkes und der Finger auf, außerdem in der Streckung/Dehnung des Ellenbogens.

Therapie:

Die Behandlung sollte unmittelbar mit Physiotherapie und Anbringung einer Schiene eingeleitet werden.

  • Eine Arthrolyse (Gelenklösung) des Ellenbogen dient zum Erreichen des Mundes mit der Hand.
  • Eine Sehnenverlagerung im Handgelenk und Ellenbogen kann vorgenommen werden, aber wegen ungenügender Kraft der Spendermuskeln ist die Erfolgsprognose ungünstig.

Anhang

1. Allgemeine Bemerkungen zu einer chirurgischen Indikation:

Wenn der spezialisierte Handchirurg sich mit einer Handfehlbildung auseinandersetzt, so wird er alle Kriterien im Wesentlichen nach Funktion einerseits und Ästhetik andererseits ordnen. Für die Eltern besteht offensichtlich oder hintergründig häufig der Wunsch, das „Geschehene“ ungeschehen oder so unauffällig wie möglich zu gestalten, dass heißt Sie wünschen sich vom Chirurgen eine Rückführung in normale, der nicht betroffenen Gegenseite vergleichbare, Verhältnisse. Dies ist häufig nur sehr begrenzt möglich und viele Handchirurgen sind sich heute einig, dass bezüglich rein ästhetischer Kriterien, d. h. nur was das Aussehen angeht, unsere Resultate im Schnitt sehr mittelmäßig sind und unter diesen Aspekten die künstlichen Prothesen aus Silikon den chirurgischen Korrekturen meist haushoch überlegen sind. Nur: sie werden von den Kindern nicht benutzt, sind nicht gefühlsvermittelnd und nutzen stark ab. Außerdem wird das Kind den Eindruck nicht los, permanent einen Fremdkörper mit sich zu tragen.

Die Funktion der Hand lässt sich wiederum unter mehreren sehr wichtigen Gesichtspunkten betrachten, zum Einen die Sensibilität der Finger (insbesondere die Schutzsensibilität gegenüber Stichverletzungen, Quetschungen oder vermehrter Wärme und Kälte – aber auch das für den Tastsinn so wichtige Unterscheiden zwischen verschiedenen Qualitäten wie spitz und stumpf, rau und glatt, das Unterscheiden von verschiedenen Punkten usw.). Neben der Sensibilität ist natürlich die Beweglichkeit der Finger und auch die Anzahl der funktionellen Finger von herausragender Bedeutung: braucht man zwei sich gegenüberstehende Finger um eine Zange zu bilden, so können aus drei Fingern bereits ein fixierender Dreipunktegriff erreicht werden und bei vier Fingern eine fast normale Handfunktion gewährleistet werden. Der Kleinfinger dient beim Faustschluss zum Verriegeln des Griffes (wenn man einen Schraubenzieher festhält, verhindert der Kleinfinger, dass der Schraubenzieher durch die Hohlhand herausrutscht).

Der Daumen ist besonders wichtig, da er sich den anderen sogenannten Langfingern gegenüberstellen kann und somit erst einen ausgewogenen Fingerspitze zu Fingerspitze Kontakt herstellen kann.

All diese Erwägungen, inklusiv möglicher einzelner Fingerbewegungen und der guten Hautqualität in den Fingerzwischenräumen, führen zur Einschätzung einer gegebenen Handfunktion und zur Planung des Erreichbaren bei funktionsverbessernden Eingriffen. Deshalb sollten auch für die Eltern bei geplanten Eingriffen diese Merkmale, Funktion einerseits und Ästhetik andererseits, jeweils betrachtet werden, deren gemeinsame Wechselwirkung bekannt sein und auch das Verständnis für chirurgische Eingriffe und die anschließende Physiotherapie so weit gehen, damit alle gemeinsam das wünschbare Ziel, nämlich die Hand für das Kind interessanter und gebrauchsfähiger zu machen, erreichen. Gerade bei der Chirurgie von Handfehlbildungen sind einige Hintergrundinformationen und mitunter auch zweite und dritte Meinungen von verschiedenen Kollegen wichtig. Dabei ist auch unter den spezialisierten Handchirurgen erforderlich, die Meinung anderer Kollegen zu respektieren und wertzuschätzen und die Eltern in ihrer Behandlungsfreiheit nicht zu bedrängen oder unbewusst zu lenken.

2. Kortikale Plastizität

Dieser Begriff beschreibt die enorme Anpassungsfähigkeit unserer Großhirnrinde, um auf äußere Einflüsse mit entsprechenden Antworten und bei nicht voll zur Verfügung stehenden Extremitäten z. B. eine angepasste Bewegung der betreffenden Extremität oder einen vermehrten Einsatz anderer Extremitäten zu bewirken. Diese Fähigkeit ist gerade beim Neugeborenen und Kleinkind sehr gut ausgeprägt, d. h. die Kompensationsmöglichkeiten sind enorm (es ist von Kindern mit schwersten Handfehlbildungen gerade nach der Contergan Affäre bekannt, wie gut und häufig sie z. B. auch die Füße zum Zeichnen und Verrichten vieler motorischer Fähigkeiten, die sonst den Händen vorbehalten sind, einsetzen können).

Durch physiotherapeutische Maßnahmen und insbesondere Ergotherapie können wir durch gezielte Aufgabenstellung diese „kortikale Plastizität“ beeinflussen; natürlich auch durch chirurgische Eingriffe indem wir die mechanischen Voraussetzungen der betroffenen Hand dahingehend verbessern, dass das Gehirn die motorischen Befehle leichter umsetzen kann und auch von der nunmehr verbesserten, operierten Hand vermehrt Erfolgssignale erhält. Dies bedeutet, dass eine Betrachtung zu therapeutischen Verfahren bei einer Handfehlbildung sich nicht alleine an der Hand und ihren mechanischen Elementen erschöpfen soll, sondern die Verbindung zwischen Gehirn und Hand wie sie sich auch in der kortikalen Plastizität ausdrückt, immer wieder berücksichtigt werden muss. Denken Sie hierbei an die besonderen Fähigkeiten eines Feinmechanikers, eines Musikers.

Jeder Mensch braucht lange Zeit, um solch spezialisierte Fähigkeiten zu entwickeln und aufrecht zu erhalten. Das Kind mit einer Handfehlbildung wird spontan alles Mögliche tun, um diese Extremität, die es für sich seit Geburt erst einmal als normal, da naturgegeben, betrachtet, auch funktionell zu optimieren. Deshalb muss die Unterstützung von Außen postitivierend und ermunternd sein. Wir sollten bei allen operativen und physiotherapeutischen Schritten über dem lokalen Behandlungsziel auch das allgemeine Wohlbefinden und die Integration des Kindes berücksichtigen.

Kortikale Plastizität ist ein natürliches, aber trainierbares Verfahren, das in allen Altersgruppen funktioniert.

3. Gewebetransfer

Seit nunmehr 30 Jahren werden zum Fingerersatz erfolgreich Zehen, bzw. Zehenanteile an die Hand transplantiert. Dies ist vor allem bei asiatischen Kindern bekannt und wird dort häufig praktiziert, während bei uns eher Zurückhaltung dahin gehend besteht, ein ursprünglich nicht betroffenes Gewebeareal bzw. Körperteil zu verändern. Dabei führt die Entfernung der zweiten Zehe an einem oder beiden Füßen in keiner Weise zu Beeinträchtigungen des Gangbildes und bei symmetrischer Durchführung wird auch später dem geschulten Blick nicht auffallen was diesen Füßen fehlt.

Selbstverständlich sind die funktionellen Resultate nur begrenzt, d. h. man darf einen transferierten Zeh nicht die Beweglichkeit eines normalen, gesunden Fingers mit seiner Dreigliedrigkeit erwarten. Unter ästhetischen Aspekten bleibt der Zeh, auch wenn er sich im weiteren Wachstum den anderen Fingern anpasst, immer nur ein fingerähnliches Gebilde, das also unter rein ästhetischen Aspekten nie die normale Hand ersetzen kann.

Allerdings ist je nach Art Fehlbildung mit dem entsprechenden Fehlen verschiedener anderer Langfinger durch den Zehentransfer eine deutliche funktionelle Aufwertung möglich. Dieser Eingriff sollte vor dem 2. Lebensjahr durchgeführt werden, um die kortikale Plastizität dahingehend zu schulen, dass dieser Finger auch in das Funktionsschema der betroffenen Hand voll integriert wird und nach erfolgreichem Eingriff auch benutzt wird. Es gibt nämlich nichts Schlimmeres, als wenn diese operierten Hände mit samt der erfolgreich transplantierten Zehen, anschließend mehr in die Hosentasche wandern als wirklich benutzt zu werden.

In den nächsten 10 Jahren ist mit der Weiterentwicklung des so genannten „allogenen Transfers“, d. h. der Nutzung des Gewebes von verstorbenen Patienten, auch für die Behandlung von schweren Handfehlbildungen ein neuer Impuls zu erwarten.

Seit etwa 40 Jahren werden lebensnotwendige Organe wie Herz, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Lunge und Darm transplantiert; seit nunmehr 5 Jahren ist diese Technik auch für Erwachsene mit Handverlust (ein – und beidseitig) in immer größerer Zahl durchgeführt worden.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist auf Grund der erforderlichen medikamentösen Immunsuppression der Einsatz dieser Technik für Kinder verboten. Die medizinische Forschung, insbesondere im Bereich der Immunabwehr, arbeitet aber vermehrt daran, für Fremdgewebetransfer im Empfängerorganismus eine Toleranz zu entwickeln. Gerade Neugeborene sind für fremdes Gewebe eher zugänglich, da das Immunsystem noch unreif ist und demnach „auf Fremdes“ nicht so aggressiv reagiert.

Mit zunehmendem Alter, vor allem unter den Einflüssen der verschiedenen viralen Infektionen und Verletzungen des Gewebes wird der Organismus und sein Immunsystem mehr und mehr erfahren und speichert eine Vielzahl von Abwehrreaktionen, die auch bei einer Fremdgewebetransplantation durchaus problematisch sein können.

Die für Erwachsene eingesetzte medikamentöse Immunsuppression hat viele Nebenwirkungen, insbesondere eine Schwächung des Immunsystems und demnach das Risiko von vermehrten Krebserkrankungen. Die Therapie muss zum jetzigen Zeitpunkt lebenslang eingenommen werden.

Für Kinder stellt sich also das Problem, dass keiner für sie entscheiden kann, gerade in jungen Jahren, eine solche Therapie lebenslang mit möglichen schweren Risiken zu nehmen. Außerdem ist es durchaus ein ethisches Problem, bei welchen verstorbenen Kindern solche Extremitäten entnommen werden dürfen (wir haben momentan überhaupt ein Problem mit Spenderorganen) und außerdem ist die Hand ein durchaus sichtbares transplantiertes Organ (die fremde Leber und das Herz bleiben unseren Augen verborgen und sind lebensnotwendige Organe). Selbstverständlich kann man nach einem einseitigen Handverlust oder auch mit einer funktionell nur schwer nutzbaren Hand durchaus ein würdiges Leben führen; und die Hand oder Teilhandtransplantation wird für Kinder erst dann in Frage kommen, wenn die Immuntoleranz hergestellt werden kann, wenn keine schwerwiegenden Nebenwirkungen durch Medikamente hinzukommen und wenn der funktionelle Nutzen auch beim wachsenden Organismus so groß ist, dass diese Alternative dann einfach überwiegt.

Rein operationstechnisch ist die Fremdgewebetransplantation schon lange gelöst, da abgetrennte Gliedmaßen wie Finger oder auch Hände schon lange „replantiert“ werden und die Wiederherstellung der Gefäßnervenbahnen so wie der Sehnen und Muskeln und der knöchernen Stabilisierung mittlerweile sicher 30 Jahre lang bekannt sind. Keine andere chirurgische Technik wird bei der Fremdgewebetransplantation eingesetzt, das Besondere ist alleine, dass das Gewebe von einem verstorbenem Spender stammt, wir also dessen Einwilligung benötigen, so wie eine entsprechende Korrespondenz der Gewebeanteile (Hautfarbe, Durchmesser der Finger, Größe, etc.) und natürlich eine langfristige Akzeptanz beim Empfänger.

Da wir heute nicht wissen, wie in den nächsten zehn Jahren der Wissenstand der medizinischen Forschung ist, müssen wir den heute geborenen Kindern und deren Eltern durchaus diese theoretische Option öffnen und im Gespräch mit den Eltern auf diese Fragen näher eingehen, da sie sonst aus der allgemeinen Presse unpräzise Informationen erfahren und in keiner Weise eine Zuordnung zum spezifischen Problem ihres Kindes machen können. Die reale Indikation ist heute noch nicht gegeben, durchaus aber in den nächsten 10-15 Jahren denkbar.

In der Zwischenzeit bleibt es spannend, weil die Fragen der Immunsuppression und der entsprechenden Toleranz zu klären sind und natürlich auch fraglich ist, wie die transplantierten Hände beim alternden Organismus sich verhalten. Hier wird uns aber die klinische Erfahrung und Beobachtung der operierten Erwachsenen weiterhelfen.

4. Weitere Gesichtspunkte werden nach Absprachen mit den Eltern von ahoi e.v. aufgenommen werden.